TalentKompass trifft TZI (Themenzentrierte Interaktion) Teil 1

TZI Teil 1: Die Axiome im TalentKompass-Prozess

Warum funktioniert der TalentKompass so gut in Gruppen – egal, ob live vor Ort in Präsenz oder Online (und online ohne jeglichen Verlust auf der inhaltlichen oder der Beziehungsebene)?

 

Kurze Antwort: 

Weil die Methoden durchdacht sind.

 

Etwas längere Antwort: 

Weil die Kompetenzbilanzierung mittels Methoden durchgeführt wird, die nicht nur vorhandene Kompetenzen erheben und sichtbar machen, sondern auch bewirken, dass neue Kompetenzen erworben werden, die nach dem Prozess weiterhin im Alltag in den verschiedensten Zusammenhängen und (Entscheidungs-)Situationen genutzt werden können.

 

Damit Kompetenzerwerb gelingen kann, sind die Auswahl und die Reihenfolge der Methoden nicht zufällig sondern orientieren sich an Grundsätzen gelingender Gruppenarbeit und Kommunikation.

 

Die ganz ausführliche Antwort (Teil 1):

 

Der Prozess-Aufbau und die Methoden/Übungen orientieren sich an den Erkenntnissen der Themenzentrierten Interaktion (TZI) nach Ruth C. Cohn.

Was ist TZI?

 

Vor allem ist TZI weitaus mehr als eine Methode, um sich selbst und Gruppen zu leiten, auch wenn der Anfang des Artikels das vermuten lässt.

 

TZI ist eine (Wert-)Haltung allen Lebewesen und der Welt gegenüber. Sie hat zum Ziel, Bewusstheit für sich selbst und die eigene innere Welt sowie die äußere Welt zu schärfen, um gesellschaftsverändernd wirken zu können in Richtung der Entwicklung einer humaneren Welt. 

 

Da es an dieser Stelle zu aufwändig würde, darzulegen, wie sehr die Biografie von Ruth C. Cohn dazu beigetragen hat, dass sie das „Humanistisch“ in der „Humanistischen Psychologie“ so herausgearbeitet hat, empfehle ich ein eindrucksvolles Video zur Entstehungsgeschichte der TZI: Es ist zu finden auf der Seite des Ruth Cohn Institute for TCI – international: https://www.ruth-cohn-institute.org/was-ist-tzi.html

 

Zurück zum TZI im TalentKompass-Prozess.

 

Lebendiges Lernen – Ressourcenorientierung in Haltung, Begegnung und Sprache – bewusste Wahrnehmung der eigenen Gefühle, Bedürfnisse und Befindlichkeiten – Wünsche und Erwartungen mitteilen – der Intuition Raum geben – Verantwortung für sich selbst übernehmen – persönliche Entwicklung – Erweiterung der Handlungsoptionen – sich in Frage stellen und sich neu entdecken – Entscheidungen im Hier und Jetzt treffen – sich mit inneren und äußeren Widerständen bewusst auseinandersetzen – verschiedene Meinungen nebeneinander stehen lassen können – Vertrauen in sich, die Gruppe und die Leitung aufbauen – sich gegenseitig wertschätzen, stärken, Raum geben – Kooperationsbereitschaft, gemeinsam Lösungen finden – sich inspirieren – voneinander profitieren – sich dem Thema auf verschiedenen Ebenen nähern – gruppendynamische Prozesse berücksichtigen – die Balance zwischen Selbstbestimmung und Eingebundensein finden – verschiedene übergeordnete Bezugsrahmen, Kontexte und Situationen berücksichtigen – …

 

Das sind nur einige Stichworte aus der Schnittmenge zwischen der TZI und dem TalentKompass-Prozess. 

 

Sie basieren auf den grundlegenden Axiomen, Postulaten und Hilfsregeln der TZI.

 

Im Folgenden gebe ich die 3 Axiome nicht wörtlich sondern sinngemäß wieder: 

 

1. Der Mensch lebt im Spannungsfeld zwischen Autonomie / Eigenständigkeit / Entscheidungsfreiheit und Interdependenz / Allverbundenheit / Abhängigkeit.

Ich bin immer gleichzeitig eine selbstständige, einzigartige Person und stehe in Wechselwirkung mit anderen Personen, Dingen, Umständen.
Ich werde beeinflusst und beeinflusse. 

Je bewusster und klarer ich meine Abhängigkeit von äußeren Gegebenheiten und auch inneren Mustern, Einstellungen und Haltungen verstehe, desto größer werden mein Entscheidungsspielraum und meine Einflussmöglichkeiten. 

Dabei ist zu bedenken, dass meine Handlungsmöglichkeiten ausschließlich im Hier und Jetzt der Gegenwart bestehen, und sie hängen zusammen mit den Lebensereignissen meiner Vergangenheit und den Potenzialen meiner Zukunft.

 

Diese Gedanken finden sich im TalentKompass-Prozess an verschiedenen Stellen: 

 

Die gegenseitige Wechselwirkung von Kopf, Herz und Bauch wird genutzt, um die vielen größeren und kleineren Entscheidungen auf dem Weg zur optimalen beruflichen Tätigkeit ganzheitlich zu treffen. 

Dort, wo Biografiearbeit eingesetzt wird, wird der Verquickung von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft Rechnung getragen. Ich schöpfe Talente, Ressourcen und Kompetenzen aus der Vergangenheit, fokussiere mich in der Gegenwart auf das, was mir im Moment am wichtigsten erscheint, um damit meine berufliche Zukunft zu gestalten. 

Damit mir das gelingt, ist es essentiell, meinen Eigenwillen und meine Selbstbestimmung weder den Menschen, mit denen ich in Wechselwirkung stehe, gegenüber rücksichtslos durchzusetzen noch mich ihnen komplett unterzuordnen. Es geht darum, sich selbst wahrzunehmen, sich ernst zunehmen, sich wertzuschätzen und sich zugleich der ständigen Wechselwirkung mit anderen Menschen bewusst zu sein.
In den Feldern „Werte“ und „berufliches Umfeld“ wird das besonders deutlich.

 

2. Ehrfurcht gebührt allem Lebendigem, Respekt vor dem Wachstum und Menschlichkeit dienen als Wertekompass.

Ein gedeihliches Zusammenleben wird durch ein Werteverständnis ermöglicht, das respektvolles, achtsames, unterstützendes, lebensförderndes Verhalten hervorbringt – mir selbst gegenüber, anderem Leben (Menschen, Tiere, Pflanzen) gegenüber, anderen Meinungen, Gedanken, Gefühlen gegenüber.

 

Im Alltag entscheide und kommuniziere ich – immer unter Berücksichtigung des jeweiligen Zusammenhangs – aufgrund von wertebasierten Überlegungen.

Diese sind oft unbewusst. Wenn ich meine Werte kenne, kann ich im Sinne des Axioms bewusste Entscheidungen treffen, bewusster kommunizieren, bewusst Handeln und den zutiefst im Menschen verankerten Wunsch nach Entwicklung und Wachstum / Entfaltung der eigenen Potenziale respektieren.

 

Es geht darum, auf sich / in sich zu schauen, nach außen zu schauen – auf die Menschen und die Bedingungen – und dann zu be-wert-en, zu entscheiden, was dem Leben / der Entfaltung dient. 

 

Im Feld „Werte“ geht es ausdrücklich darum, das eigene Werteverständnis zu beleuchten, den eigenen Wertesinn zu schärfen. 

 

Der ganze Prozess ist auf das essenzielle Bedürfnis nach Wachstum im Sinne persönlicher Weiterentwicklung ausgelegt:

 

Verborgene Potenziale werden sichtbar gemacht, unbewusste / teilbewusste Kompetenzen werden identifiziert, Talente werden als einzigartige Qualitäten wahrgenommen. Kombiniert mit dem erworbenen Wissen und den favorisierten Interessen werden daraus berufliche Perspektiven entwickelt, die in Passung und Sinnstiftung regelmäßig die Erwartungen zu Beginn des Prozesses übertreffen. 

 

Der Wechsel von reflexiver Einzelarbeit, Paarübungen, Kleingruppenarbeit und Austausch im Plenum mit Methoden, die die Rahmenbedingungen berücksichtigen, schafft den Boden für bewusste, wachstumsförderliche Entscheidungen.  

 

3. Freie Entscheidungen sind innerhalb innerer und äußerer Grenzen möglich. Diese Grenzen können erweitert werden.

Hier findet sich der Gedanke von erweiterbaren Komfortzonen oder, wie ich gerne sage, Komm-vor-Zonen, wieder. 

Jede Person kann ihre freien Entscheidungen nur innerhalb der eigenen inneren Grenzen, die durch Haltungen, Prägungen, Werte, Begabungen etc. bestimmt werden, treffen. Äußere Grenzen ergeben sich durch andere Personen und das gesellschaftliche Umfeld.

 

Eine Ausweitung ist möglich, wenn ich nicht nur meine Grenzen sondern auch meine Spielräume wahrnehme und dann unter Berücksichtigung der Axiome 1 (Autonomie – Interdependenz) und 2 (Wachstum) entscheide und handle. Insofern kann ich durchaus in einem gewissen Maße Einfluss nehmen und gestalten: 

 

„Ich bin nicht allmächtig und ich bin nicht ohnmächtig. Ich bin partiell mächtig“ Ruth C. Cohn.

 

In mancher beruflichen „Zwangslage“ herrscht das Ohnmachtsgefühl vor.

 

In diesem Sinne soll bei der beruflichen Orientierung die Bewusstheit nicht nur für die eigenen und fremden Grenzen geschärft werden, sondern auch für die Wachstumspotenziale.

 

Die eigenen Bedürfnisse, Wünsche, Talente, das Streben nach Sinn und Selbstbestimmung werden ernst genommen.

 

Im Laufe des TalentKompass-Prozesses werden stets ressourcenorientiert Möglichkeitsräume eröffnet.

 

Die Teilnehmenden werden in Ihren Ideen und Zielen bestärkt, unter realistischer Berücksichtigung des persönlichen und gesellschaftlichen Umfelds und voraussichtlich zu erwartender Herausforderungen.   

 

 

Im nächsten Artikel geht es darum wie die 2 Postulate (Chairperson-Postulat und Störungspostulat), die sich als Handlungsprinzipien aus diesen Axiomen ergeben, im TalentKompass-Prozess gelebt werden.